Berlin und die Eingliederungshilfe im Clinch: Wer blockiert hier eigentlich? Was hinter den verhärteten Fronten zwischen Berliner Senat und den freien Trägern steckt

Der Zoff um den Rahmenvertrag der Eingliederungshilfe in Berlin zieht sich hin wie Kaugummi, und jetzt hat der Senat scheinbar die Nase voll: Er hat den Trägern der Eingliederungshilfe  eine Frist gesetzt. Sechs Monate haben sie noch Zeit, um die „unzumutbare Vertragslage“ zu klären.

Der Senat behauptet, dass Menschen mit Behinderung keine angemessenen, bedarfsgerechten und personenzentrierten Leistungen erhalten. Die Träger würden die nötige Reform blockieren, und das, so der Senat, gehe auf keinen Fall klar. Die Träger allerdings sehen das völlig anders. Sie werfen dem Senat vor, den Druck nur zu erhöhen, um Sparmaßnahmen durchzudrücken, während man gleichzeitig so tut, als ginge es um das Wohl der Betroffenen.

Der Hintergrund dieser ewigen Diskussion ist das Bundesteilhabegesetz (BTHG), das seit 2020 greift. Es soll Menschen mit Behinderung unterstützen, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Klingt gut, aber in Berlin hängt man in den Verhandlungen fest. Der Senat meint, die Träger bremsen – die Träger sagen: „Moment mal, wir arbeiten schon längst an der Umsetzung, aber die Personal- und Planungsstruktur muss stimmen!“ Jetzt tickt die Uhr: Bis Anfang 2025 soll eine Lösung her, sonst wird der Rahmenvertrag neu aufgerollt.

Ein großes Problem, das der Arbeitskreis freier Träger der Behindertenhilfe im Land Berlin (AKT) anspricht, ist die Personalsituation in den Teilhabefachdiensten. Nur 83 Prozent der Stellen sind besetzt, und der Anteil an ausgebildeten Fachkräften liegt bei mageren 12,5 Prozent. Menschen, die ihre Bedürfnisse nicht gut ausdrücken können, sind dabei besonders benachteiligt. Der AKT fordert, dass die Bedarfserhebung endlich vernünftig und im Austausch mit den Leistungsberechtigten gemacht wird – keine halben Sachen mehr! Und weil es ständig zu Streitigkeiten kommt, fordert der AKT eine unabhängige Clearingstelle. Die könnte schnell Klarheit schaffen, wenn es mal wieder klemmt.

Und dann ist da noch der Vorwurf des Senats, dass Berlin viel zu viel für die Eingliederungshilfe ausgibt. Um satte 30 Prozent höher sollen die Kosten liegen als in anderen Regionen. Der AKT meint, das sei völliger Blödsinn. In Wahrheit liegen die Ausgaben pro Einwohner in Berlin im Vergleich sogar unter dem Durchschnitt anderer Ballungsräume. Außerdem hat Berlin eine der höchsten Ambulantisierungsquoten, also besonders viele Menschen mit Behinderung leben zu Hause und nicht in speziellen Wohnformen. Diese Menschen brauchen intensive Unterstützung, was verständlicherweise teurer ist. Aber das wird in den Vergleichszahlen einfach übergangen.

Der Senat behauptet außerdem, die Träger hätten zu viel Spielraum und könnten Leistungen in Rechnung stellen, die sie gar nicht erbringen. Der AKT findet diese Aussage einfach nur absurd. Die Träger müssten ihre Arbeit ohnehin dokumentieren, und das schon sehr genau. Mehr Bürokratie würde nur dazu führen, dass weniger Zeit für die eigentliche Arbeit bleibt – die Unterstützung der Menschen. „Was soll das bringen?“, fragt sich der AKT und fordert stattdessen ein Vergütungssystem, das leistungsgerecht ist, ohne die Arbeit noch weiter zu verkomplizieren.

Unterm Strich fordert der AKT, dass der Fokus wieder auf die Menschen gelegt wird, um die es hier eigentlich geht. Die Menschen mit Behinderung müssen im Zentrum stehen, nicht Einsparungen oder aufgeblähte Dokumentationspflichten. Ein neues Vergütungssystem muss leistungsgerecht sein und den Trägern Planungssicherheit geben, damit sie ihre Arbeit machen können, ohne ständig mit dem Rechenschieber im Nacken zu arbeiten. Und ja, die Frist läuft, aber ob damit wirklich konstruktive Verhandlungen vorankommen, bleibt abzuwarten.

Es bleibt der Eindruck: Der Senat will schnelle Lösungen erzwingen, ohne die Realität der Träger richtig zu berücksichtigen. Wer hier nur mit der Stoppuhr wedelt, löst das Problem sicher nicht. Der AKT ist nach wie vor bereit zu verhandeln, aber ohne klare Rahmenbedingungen und den Blick auf das Wesentliche – die Unterstützung der Menschen – geht das nicht.

Bildquellen

  • baby-1399332_640: Pixaybay